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Kerb in Nieder-Olm

Der Ursprung der Kerb in Nieder-Olm geht auf den ersten Gottesdienst im Neubau der katholischen St. Georg-Kirche zurück. Das war am 18. September 1779. Die Kirche selbst ist wesentlich älter. Erstmals erwähnt wird eine Kirche in Nieder-Olm bereits im Jahr 1167. Von diesem Bau sind noch die unteren Stockwerke des Turmes erhalten. Um 1400 wurde der Choranbau, die heutige Katharinenkapelle, angefügt. Zwischen 1777 und 1779 errichtete man anstelle des nach Osten ausgerichteten gotischen Langhauses einen um 90 Grad gedrehten spätbarocken Neubau. Dessen Einweihung wurde im Jahr 1779 mit der ersten Kerb gefeiert.

An welchen Tagen die Kirchweih vor Errichtung des neuen Kirchbaus gefeiert wurde, ist bisher noch nicht belegt, jedoch lässt sich ihr Brauchtum nachweislich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Etwa bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts stand der religiöse Aspekt im Vordergrund. Dem Tanzvergnügen war man natürlich auch nicht abgeneigt. Bei gutem Wetter fanden die „offen dänz an Kirchweye“ auf dem Schlossplatz unter der Dorflinde statt, wie man aus dem Gemeindebuch von 1776 entnehmen kann. Später wurde der Kerbetanz in die Saalbauten der Gasthäuser verlegt, von denen 1835 bereits fünf existierten.

Nach der Reichsgründung von 1871 entwickelte sich die Kirchweihe allmählich zum Hochfest der Rekruten, denen auferlegt war, das Kerbegeschehen weitgehend zu organisieren. Wie Chronist Michael Eifinger in seinen Aufzeichnungen festgehalten hat, zogen die Zwanzigjährigen nach ihrer Musterung durch das Dorf, wobei sie Eier, Speck und Brot einsammelten, die dann im Verlaufe des abendlichen Rekrutenballs verzehrt wurden. Am Sonntag vor der Kirchweihe nahmen die Rekruten dann die Auslosung der Kerbemädchen vor. Jedem Wehrpflichtigen wurde so ein Jahrgangsmädchen zugeteilt, das er als sogenannte Kerbebraut in Empfang nehmen durfte. Diese Tradition erhielt sich in Nieder-Olm bis zum Jahr 1914. So war es auch strenger Brauch, dass der Kerbeborsch nach dem sonntäglichen Hochamt bei den Eltern des Mädchens vorsprach und höflich um Erlaubnis bat, als ständiger Begleiter ihre Tochter während der Kerbetage auftreten z7u dürfen. Um Rivalitäten zu vermeiden, waren die Bittsteller zudem verpflichtet, ausschließlich mit ihrer Kerbebraut zu tanzen.

Am Kirchweihsamstag wurde der Kerbebaum aufgestellt und zwar vor einer der Gastwirtschaften mit Saalbau, den man als Tanzlokal ausgewählt hatte. Abends zogen die Rekruten durch die Ortsstraßen, um sich Arm in Arm mit ihren schmucken Kerbebräuten zu zeigen, bis sie schließlich ihrem Kerbelokal zustrebten. An Musikkapellen mangelte es in Nieder-Olm bekanntlich nie und wie wir wissen, zog sich das Tanzvergnügen oft bis in den frühen Morgen hin.

In der Nacht vom Kerbemontag auf Dienstag fand die symbolische Beerdigung der Kerb statt. Eine Flasche mit besonders gutem Wein wurde in Abwesenheit der nächsten Kirchweihjahrgangs feierlich vergraben und musste dann von diesem im darauffolgenden Jahr gefunden werden. Dieser machte sich dann in Begleitung einer Musikkapelle auf die Suche. Nachdem man die Flasche unter Inanspruchnahme einiger diskreter Hinweise gefunden hatte, wurde sie an einen aus Stroh geflochtenen Kranz gehängt und an einer Heugabel befestigt. Daraufhin zog man wieder unter musikalischer Begleitung durch die Ortsstraßen – die Kerb, in Gestalt der Weinflasche, wurde vornweg getragen und schließlich im Kerbelokal verkostet.

Aus den 1870er-Jahren wird bereits auch von dem Aufstellen eines Karussells, die sogenannte „Reitschul“ sowie einer Schießbude berichtet. Der Karussell- und Schießstandplatz wurde jährlich von der Gemeinde auf die Dauer von drei Tagen an den Meistbietenden versteigert. Seit 1887 erhielt zumeist Karussellbesitzer Wilhelm Petry, später sein Sohn Georg Petry auf Uffhofen den Zuschlag, während die Schießbudenbesitzer ständig wechselten.

Textquellen:
Peter Weisrock: Nieder-Olmer Dokumentationen Bd. 2, 2005;
Hans-Valentin Kirschner und Elmar Rettinger: Nieder-Olm im Herzen von Rheinhessen. Ein Rundgang, 2019

Bilderquellen:
Archiv Peter Weisrock, Helmut Schmitt, Waltraud Plattner, Hans Krauss, Annette Pospesch