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Die Geschichte des Alten Rathauses Nieder-Olm

Erstmals wurde in Nieder-Olm im Jahr 1491 ein Rathaus genannt. Es befand sich an der Straßenmündung Backhausstraße/ Ecke Pariser Straße. Zuvor fanden die Versammlungen des Schöffengerichts im kurzmainzischen Nieder-Olm unter der Gerichtslinde statt, die in der Mitte des heutigen Rathausplatzes stand.

Im Zuge des Neubaus der Pariser Straße im Jahre 1806 unter Kaiser Napoleon I. wurde das mittelalterliche Rathaus niedergelegt. Es stand dem Bau der Pariser Straße schlicht im Weg. Auch große Teile der Laurenziburg und späteren Schlosses fielen dem Straßenbau zum Opfer.

Die Sitzungen des Gemeinderates fanden daher bis 1814 im Gasthaus zum Grünen Baum, in der Pfarrgasse 2, statt. Erst mit Beginn der großherzoglich-hessischen Zeit fasste der Gemeinderat im Jahr 1816 den Entschluss, ein neues Rathaus zu errichten. Dieses wurde 1827 im klassizistischen Stil erbaut. Architekt war vermutlich der Mainzer Landbaumeisters Friedrich Schneider, der in den 1820er- und 1830er-Jahren in der Provinz Rheinhessen an vielen anderen Bauwerken als Architekt beteiligt war.

Erdgeschoss:
Die Räume im Erdgeschoss wurden bis 1878 auch als Friedensgericht des Kantons Nieder-Olm und in dessen Nachfolge bis 1894 als Amtsgericht für den Gerichtsbezirk Nieder-Olm genutzt. Das Amtsgericht zog 1894 in den Neubau des Amtsgerichts an der Straßenmündung Bahnhofstraße/ Ecke Pariser Straße um.

In der nationalsozialistischen Zeit von 1933 bis 1945 war im Erdgeschoss links des Flurs die Gemeindekasse untergebracht, bis 1934 die Bürgermeisterei. Rechts des Flurs befand sich das Sekretariat und im größten Raum der Sitzungssaal, auch Trauungsaal, in dem zwei Führerbüsten von Adolf Hitler standen. Davor stand der Trauungstisch, über dem sich ein Kronleuchter befand.

Mit Gründung der Verbandsgemeinde Nieder-Olm 1972 und dem Neubau des heutigen Rathauses im Jahr 1977 in der Stadtmitte wurde das Gebäude als Rathaus der Gemeinde und der Verbandsgemeinde genutzt.

Seit 1977 befindet sich auch die Nieder-Olmer Stadtverwaltung im neuen Rathaus. Mit einigen Umbaumaßnahmen am Alten Rathaus im Jahr 1978 entstanden eine Altentagesstätte, eine Begegnungsstätte sowie ein Spiel- und Fernsehraum. Von 2000-2012 befand sich im Erdgeschoss eine Poststelle.

Obergeschoss:
Bei seiner Fertigstellung im Jahr 1827 befand sich im Obergeschoss ein erhöhter Sitzungssaal des Gemeinderates mit gewölbter Stuckdecke, der heutige Trausaal. Später wurde der Sitzungssaal ins Erdgeschoss verlagert und das GemeindearchivinsObergeschoss.

Nach dem Umzug der alten Volksschule in der Backhausstraße in den ehemaligen Wohntrakt des verbliebenen Schlossgebäudes im Jahr 1890 wurden dort auch zwei Lehrerwohnungen eingerichtet. Mit allmählicher Zunahme der Klassenzüge und dem späteren Neubau der Volksschule im Jahr 1894 verstärkte sich jedoch auch das Lehrerkollegium. Die Gemeinde musste daher weitere Lehrerwohnungen zur Verfügung stellen und baute deshalb dazu im Alten Rathaus das Obergeschoss für eine Lehrerwohnung um. Drei Zimmer mit Küche. Diese wurde bis 1961 genutzt. Nachweisbare Bewohner waren dort die Lehrer 1883 Wilhelm Klein, 1922 Peter Hieronymus, später Edgar Schott 1948 bis 1961. Weitere Lehrewohnungen wurden im Dachgeschoss des ab 1934 leerstehenden Amtsgerichts eingerichtet. In Nieder-Olm sesshaft gewordene Lehrkräfte bauten sich auch nach und nach eigene Wohnhäuser.1978 wurde die Gemeindebücherei im oberen Geschoss untergebracht.

Untergeschoss:
Im Jahr 1827 wurden die Feuerwehrspritze sowie andere Brandschutzgerätschafte hier untergebracht. Auch diente das Untergeschoss als Gefängnis bevor die Inhaftierten an die Justiz nach Mainz weitergeleitet wurden. Mit dem Bau des Amtsgerichts mit Gefängnisbau im Jahr 1894 und dem Bau eines Spritzenhauses neben der neuen Volksschule im Jahr 1894, erlosch deren Nutzung im alten Rathaus.

In dieser Zeit lag die Alte Landstraße um einiges tiefer, sodass man von dort die Feuerspritze in die Ebene des Untergeschosses einfahren konnte. Ein verputzter, heute nicht sichtbarer, Torbogen aus Sandstein weist auf den ehemaligen Zugang hin.

Text: Peter Weisrock; Stadtarchiv Nieder-Olm