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Die jüdische Gemeinde in Nieder-Olm

Vor 77 Jahren, am 27.01.1945, befreiten Truppen der Roten Armee die Gefangenen des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust soll daher an dieser Stelle an das Leben der jüdischen Gemeinde in Nieder-Olm erinnert werden.

Erste Spuren jüdischen Lebens in Nieder-Olm finden sich bereits im 13. Jahrhundert. Doch erst vom 17. Jahrhundert an kann man von der Entstehung einer jüdischen Gemeinde sprechen. Im Jahr 1855 war ihre Einwohnerzahl auf 35 Personen angewachsen. Nicht besonders viel, aber es genügte, um eine eigene Religionsgemeinde zu bilden. Bereits drei Jahre später wurde eine Synagoge gebaut und zwar in der damaligen Synagogengasse, die im Dritten Reich in „Mittelgasse“ umbenannt wurde und bis heute diesen Namen trägt. Überlieferungen zufolge verdienten sich die Menschen der jüdischen Gemeinde als Metzger, Makler oder Konditormeister ihren Lebensunterhalt. Andere hatten einen Tabak-oder Antiquitätenladenladen, ein kleines Kaffee mit eigener Konditorei, ein Textil- oder Manufakturgeschäft oder sie waren Kaufleute. Die Familien waren gut integriert, Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr oder Gründungsmitglied beim Turnverein 1893.

Doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 änderte sich die Situation für die Juden in Nieder-Olm schlagartig. Gewaltandrohung, Prügelattacken, der Boykott ihrer Geschäfte, Enteignung und Psycho-Terror gehörten für sie zum Alltag. Entsetzlicher Höhepunkt antisemitischer Ausschreitungen war die Reichspogromnacht im November 1938. Jüdische Geschäfte und Wohnhäuser wurden verwüstet, Fensterscheiben eingeschlagen, Eigentum beschlagnahmt, Menschen geschlagen, festgenommen, deportiert. Nach diesem schrecklichen Terror flohen 15 Personen ins Ausland. Doch 14 Menschen aus Nieder-Olm fanden in den Gaskammern von Auschwitz, Theresienstadt, Treblinka und Piaski den Tod.

Nach der Vertreibung setzte die planmäßige Verteilung der jüdischen Vermögen ein. Diese wurden beschlagnahmt und versteigert.

Im Dezember 1939 gab es in Nieder-Olm keinen einzigen Mitbürger jüdischen Glaubens mehr. Die Synagoge wurde im März 1945 während eines Luftangriffs schwer beschädigt und brannte völlig aus.

Sichtbare Zeichen für das Leben von Juden in Nieder-Olm sind der jüdische Friedhof, die Gedenktafel in der Mittelgasse sowie die Stolpersteine. Sie halten die Erinnerung an ein Leben der jüdischen Gemeinde in Nieder-Olm wach.

(Quelle: Peter Weisrock, Elmar Rettinger, Anton Weisrock:Nieder-Olmer Dokumentationen 1. Die jüdische Gemeinde von Nieder-Olm, 4. Auflage 2017)