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In Vergessenheit geratenes Sofa steht plötzlich im Rampenlicht - Ursprung geht auf napoleonische Zeit zurück/Nun wird ein geeigneter Ort gesucht

Es war ein glanzvoller Rahmen für die Ernennung Dr. Hans-Valentin Kirschners als erstem Ehrenbürger der Verbandsgemeinde Nieder-Olm: Auf der Bühne ein imposanter Flügel, am Bühnenrand üppige Blumenarrangements. Dazwischen ein schwarzbezogenes Sofa aus glänzendem Kirschholz, das auf den ersten Blick wie ein dekoratives Biedermeier-Möbel aussieht. Doch bei genauerer Betrachtung verbirgt sich dahinter die weit zurückreichende und wechselvolle Geschichte Rheinhessens, die bis heute immer wieder ihre Schatten in das Leben der Menschen wirft. 
Das Sofa tauchte zusammen mit etwa 30 weiteren Möbelstücken in den 1980er-Jahren bei Renovierungsarbeiten in der Schmiede Wettig in Nieder-Olm auf. Recherchen ergaben, dass das gesamte Ensemble aus der Mainzer Residenz keines Geringeren als Napoleon Bonaparte I. stammt. Die Verzierungen mit dem napoleonischen Adler deuten ebenfalls darauf hin. Auf dem geretteten Sofa ruhte vermutlich auch Napoleons Gemahlin Josephine, die sich mehrmals im napoleonischen Palais Imperial in Mayence aufhielt, dem heutigen Deutschhaus des rheinland-pfälzischen Landtages in Mainz.
Wie kam dieses kostbare Inventar in das damals ziemlich ärmliche Nieder-Olm? Der Ortschronist und Heimatforscher Peter Weisrock förderte folgende Geschichte zu Tage.
Nach Ende der napoleonischen Ära in Mainz im Jahre 1815 wurde das gesamte Mobiliar aus Napoleons Residenz von der neuen hessischen Administration versteigert. Teile davon kamen in den Besitz des vermögenden Sektfabrikanten Matheus Müller aus Eltville. Die aus dieser Familie stammende Elisabeth Müller war seit den 1880er-Jahren Lehrerin am Mainzer Frauenlob-Gymnasium und übernahm einige Möbelstücke für ihre Wohnung in Mainz. Sie beschäftigte damals die aus Sörgenloch stammende Eva Wettig als Haushälterin. Nach ihrer Pensionierung zog Elisabeth Müller in den 1920er-Jahren zu der inzwischen nach Nieder-Olm in die Schmiede Wettig eingeheirateten ehemaligen Hauswirtschafterin Eva Wettig und verbrachte dort ihren Lebensabend. Mit ihrem Umzug kam auch das Inventar aus ihrer Mainzer Wohnung nach Nieder-Olm, wo es sich bis heute befindet.
Ein Großteil des Ensembles wurde nach seiner Entdeckung in den 1980er-Jahren restauriert. Doch nicht alle Möbel fanden einen adäquaten Standort. Viele befinden sich im Partnerschaftszimmer des Altes Rathauses, kleinere Möbelstücke findet man in der Schmiede Wettig. Andere wiederum stehen ungenutzt im Originalzustand auf dem Dachboden des Verbandsgemeinde-Rathauses und warten auf ihre Wiederbelebung. Und so kam es, dass das Napoleon-Sofa aus Raumnot viele Jahre lang im Keller der Eckes-Halle verschwand und in Vergessenheit geriet. Nur bedingt durch einen Zufall erwachte es aus seinem Dornröschenschlaf und bildete plötzlich den glanzvollen Rahmen für eine Ehrung. 

Text: Anuschka Weisener, Stadtarchiv Nieder-Olm

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